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Niederlande / Veenhuizen / Alle Sehenswürdigkeiten

Kolonien der Barmherzigkeit (Veenhuizen)

Ein UNESCO-Weltkulturerbe mit dunkler Geschichte

Kolonien der Barmherzigkeit (Veenhuizen)

account_balance UNESCO Weltkulturerbe

Die Kolonien der Barmherzigkeit (Koloniën van Weldadigheid) beschreiben ein einzigartiges europäisches Sozialexperiment aus dem 19. Jahrhundert. Die Kolonien sollten eine Antwort auf die zunehmende Armut in den Städten geben, indem sie mittellose Menschen aus den urbanen Gebieten auf das Land umsiedelten und ihnen dort durch Disziplin, Arbeit und Bildung eine neue Existenz boten. Der Initiator dieses Systems war General Johannes van den Bosch, der die Maatschappij van Weldadigheid (Philanthropische Gesellschaft) ins Leben rief. Es handelt sich hierbei um drei Kolonien in Wortel (Belgien), Frederiksoord-Wilhelminaoord (Niederlande) und Veenhuizen.

Doch wie kommt es, dass ein Ort mit solch einem einladenden Namen wie ein Gefängnis aussieht? Wir haben die Kolonie der Barmherzigkeit in Veenhuizen sowie das dort ansässige Gefängnismuseum besucht und haben jede Menge Neues gelernt.

Geschichte der Kolonie in Veenhuizen

Gezicht op het derde gesticht in de kolonie Veenhuizen Afbeelding van het 3e gesticht in de kolonie Veenhuizen (provincie Drenthe) (titel op object) Vijf platen van de gestichten van de Maatschappij van Weldadigheid in, RP-P-AO-3-62B-3

Die Geschichte der Kolonie in Veenhuizen beginnt im Jahr 1818, als das Sozialprojekt der Kolonien der Barmherzigkeit durch die Philanthropische Gesellschaft gegründet wurde. Im Rahmen dieses Projektes wurde zunächst die freie Kolonie Frederiksoord gegründet, die es Armen ermöglichte, auf freiwilliger Basis selbst zu lernen, wie sie ihren Unterhalt verdienen und sich so aus ihrer Armut befreien konnten. Der Andrang hielt sich allerdings in Grenzen und die Gesellschaft verzeichnete nach Projektstart rasch rote Zahlen.

Fünf Jahre später wurde durchgesetzt, dass die Gesellschaft Arme zwangsweise in Kolonien unterbringen konnte. 1823 wurde also die Kolonie in Veenhuizen gegründet, die von Anfang an als geschlossene und unfreie Kolonie konzipiert war. Hier sollten vor allem Menschen untergebracht werden, die als „arbeitsscheu“ oder „unfähig“ galten, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Geschichte der Kolonie in Veenhuizen

Dazu gehörten unter anderem Bettler, Obdachlose und Waisenkinder, die oft gegen ihren Willen nach Veenhuizen gebracht wurden. Die Kolonie war streng organisiert, die Bewohner wurden überwacht und mussten unter harten Bedingungen landwirtschaftliche Arbeit verrichten. Der Alltag war geprägt von strikten Regeln und Disziplinarmaßnahmen, was Veenhuizen mehr und mehr den Charakter einer Strafanstalt verlieh.

Geschichte der Kolonie der Barmherzigkeit in Veenhuizen

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandelte sich Veenhuizen von einer Kolonie der Barmherzigkeit zu einem Ort, an dem vor allem Sträflinge und sozial Ausgegrenzte untergebracht wurden. Die Idee der Umerziehung durch Arbeit blieb jedoch zentral. Durch die Jahre entwickelte sich Veenhuizen weiter und erhielt zahlreiche neue Gebäude, die bis heute erhalten sind. Diese Gebäude, oft in nüchternem, strengen Architekturstil gehalten, verdeutlichen den repressiven Charakter der Kolonie und den Versuch, durch Architektur und Landschaftsplanung die soziale Kontrolle zu verstärken.

UNESCO Kolonie der Barmherzigkeit in Veenhuizen

Mit der Schließung der Kolonien im frühen 20. Jahrhundert blieb Veenhuizen als Strafanstalt erhalten. Heute erinnert das Nationaal Gevangenismuseum (Nationales Gefängnismuseum) an die wechselvolle Geschichte des Ortes und dokumentiert, wie Veenhuizen über Jahrzehnte hinweg als ein Ort diente, an dem die Grenze zwischen Fürsorge und sozialer Kontrolle verschwamm.

Die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes im Jahr 2021 unterstreicht die Bedeutung der ursprünglichen Idee und ihre Geschichte als ein außergewöhnliches Beispiel für die frühen Bemühungen, Armut durch soziale Reformen zu bekämpfen.

Das Gefängnismuseum

Gefängnismuseum in Veenhuizen

Das Gefängnismuseum (Nationaal Gevangenismuseum) widmet sich der Geschichte des Gefängniswesens und der Entwicklung des Strafrechts in den Niederlanden. In acht verschiedenen Abschnitten beleuchtet die Ausstellung die Veränderung der Bestrafungssysteme über die Jahrhunderte hinweg und bietet den Besuchern die Möglichkeit, tief in das niederländische Justizsystem einzutauchen.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Der Museumsrundgang beginnt mit einem ungewöhnlichen Einstieg: Als Besucher betretet ihr das Museum wie Gefangene, indem ihr durch eine Schleuse geht und dabei die Rolle eines Häftlings übernehmt.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Eine der ersten Abschnitte beschäftigt sich mit den Strafen, die bis zum frühen 19. Jahrhundert angewendet wurden. Hier erfahren die Besucher, dass 1595 das erste Zuchthaus in einem ehemaligen Amsterdamer Kloster gegründet wurde. Diese frühen Zuchthäuser gelten als Vorläufer der modernen Gefängnisse. Die dortigen Bedingungen waren jedoch erbarmungslos: harte Arbeit, kaum Nahrung und Kälte führten oft zum Tod durch Erschöpfung und Hunger.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Ein weiterer wichtiger Abschnitt zeigt die geschichtlichen Entwicklungen in Veenhuizen selbst. Als eine der unfreien Kolonien der Barmherzigkeit wurde Veenhuizen von einer Armenkolonie zu einem Ort, an dem Gefangene unter strengen Bedingungen arbeiten und leben mussten.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Während die frühen Gefängnisse oft durch gemeinschaftliches Einsperren geprägt waren, setzte sich im Laufe der Zeit die Isolierung der Gefangenen durch. Besonders bedrückend war die Praxis, Häftlinge Masken tragen zu lassen, wenn sie ihre Zellen verließen, um jegliche Kommunikation und Personalisierung zu unterbinden.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Auch die Entwicklungen im 20. und 21. Jahrhundert finden im Museum Beachtung. Hier wird die wachsende Bedeutung der psychologischen Auswirkungen von Strafen thematisiert und die Veränderungen, die zur Verbesserung eingeleitet wurden. Misstrauen gegenüber den Gefangenen blieb jedoch bestehen und die Frage der Resozialisierung führte zu immer strengeren Vorschriften und einer intensiveren Kontrolle.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Ein weiterer Abschnitt beleuchtet die Einführung und Entwicklung des niederländischen Strafrechts. Von den ersten Strafgesetzen bis hin zu den Reformen des modernen Strafwesens wird die Geschichte der Justiz nachvollziehbar gemacht.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Im Bereich des „Staatshotels“ können Besucher interaktiv die Reise von fünf Straftätern von ihrem Verbrechen bis zum Ende ihrer Haft verfolgen. Diese Station bietet durch multimediale Elemente eine besonders spannende und immersive Erfahrung.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Gefängnismuseum in Veenhuizen Museum

Der Rundgang endet im Zellenblock, wo die Besucher hautnah erleben können, wie es war, in den engen Räumen des Gefängnisses eingesperrt zu sein. Ergänzend bietet das Museum Gefängnisbusse zur Besichtigung an und verfügt über einen Spielplatz für Kinder, ein Restaurant und einen Museumsshop.

Tickets online oder vor Ort kaufen

Gefängnismuseum in Veenhuizen Audio Guide

Erwachsene zahlen nur 12,50 Euro Eintritt pro Person. Ihr erhaltet einen Audio Guide, falls ihr wie wir der niederländischen Sprache nicht mächtig seid. Ihr wählt einfach die entsprechende Zahl an den Audio Tour Schildern und hält euch den Guide wie ein Handy ans Ohr.

Für einen zusätzlichen Euro erhaltet ihr einen nützlichen Museumsführer dazu, der als Wegweiser dient mit vielen Infos über die Ausstellung, die ihr auch noch zu Hause im Nachgang lesen könnt.

Auch interessant für Kinder

Gefängnismuseum in Veenhuizen Kinder

Das Museum bietet parallel zu dem Angebot für Erwachsene und Jugendliche auch kinderfreundliche Stationen für die Kleinen. Es handelt sich hierbei um zwei Routen namens Fluch von Veenhuizen und Lange Leo, denen eure Kleinen auf die Spur gehen können, während ihr euch die reguläre Ausstellung anschaut.

Gefängnismuseum in Veenhuizen Kinder

Für Kinder unter 5 Jahren ist der Eintritt übrigens kostenlos und von 5 bis 12 Jahren zahlt ihr für eure Kleinen nur 7,50 Euro pro Nase.

Unsere Bewertung

Wir bewerten die Sehenswürdigkeit in fünf unterschiedlichen Kategorien. In jeder Kategorie können bis zu 10 Punkte erreicht werden, was ein Maximum von gesamt 50 Punkten ermöglicht. Allerdings gewichten wir die jeweiligen Kategorien unterschiedlich. Bitte beachtet, dass unsere Bewertung subjektiv ist und wir hier nur von unserer eigenen Erfahrung ausgehen.

  • groups Erträgliche Touristenmenge (15%): 8
  • map Einfache Anreise (10%): 8
  • photo_camera Gute Fotomotive (30%): 6
  • history_edu Historischer Hintergrund (25%): 9
  • payments Preis-Leistungs-Verhältnis (20%): 8

38 Punkte

Stattet der Kolonie unbedingt einen Besuch ab, wenn ihr in den Niederlanden Urlaub macht in naheliegenden Orten wie beispielsweise Groningen oder Zwolle. Zwar könnt ihr bereits so einiges auf dem Gelände sehen, dessen Innenhof völlig kostenlos zugänglich ist, ihr lernt in dem Museum aber noch jede Menge mehr dazu.

Das Museum ist besonders gut gemacht, bietet jede Menge interaktive Bereiche und die verschiedenen Räume sind äußerst abwechslungsreich gestaltet.

Falls ihr euch vorab informieren möchtet oder sogar eure Tickets online kaufen möchtet, schaut am besten auf der offiziellen Webseite des Museums vorbei.

Achtet während eures Besuchs unbedingt darauf, den Zellenblock nicht zu vergessen. Wir haben ihn trotz des Museumsführers verpasst, da wir schlichtweg nicht richtig hineingeschaut haben. In dem Museumsführer sind nämlich alle Abschnitte und ihr Standort sehr deutlich markiert. Erst zu Hause fiel uns auf, dass wir nach dem letzten Abschnitt nur ein paar Meter über den Innenhof hätten weiterlaufen sollen.

Standort und Adresse

Adresse: Oude Gracht 1, 9341 AA Veenhuizen, Niederlande